Die Psychologie der Massen

In seiner Psychologie der Massen stellt Gustave Le Bon die Grundbegriffe des Massenverhaltens dar und gilt somit als Begründer der Massenpsychologie.

Entstehung: Unter dem Eindruck eines grundlegenden Wertewandels der westlichen Gesellschaft sowie der wachsenden politischen Macht der Masse, der »jüngsten Herrscherin der Gegenwart«, entschloss sich Le Bon zu einer Untersuchung dieses Phänomens. Er verstand sein Werk als die erste systematische Auseinandersetzung mit der Masse als psychologisch erfassbarem Gegenstand.

 Inhalt: Die radikale Grundthese von Le Bon lautet, dass die Masse eine Abart der rationalen menschlichen Existenz sei. So seien die negativen Erscheinungen des Massenverhaltens neben strukturellen (der Hoffnung auf Straffreiheit) vor allem psychologischen (dem Vorherrschen des Unbewussten) Elementen zuzuschreiben.

Als mitentscheidender Faktor für Massenverhalten spielt für Le Bon immer auch seine Rassentheorie eine bedeutende Rolle, in denen er darwinistische Bestandteile mit seinen Vorstellungen von »Nationalcharakter« kombiniert. So meint er feststellen zu können, dass z. B. bei den »lateinischen Massen« in besonderem Maße Intoleranz vorherrsche. Schwieriger einzuordnen sind Le Bons gelegentliche Hinweise auf die positive Wirkung der Masse. Teils äußert der Autor ausdrückliches Lob (»Frönen also die Massen oft niedrigen Instinkten, so bieten sie oft wieder ein Beispiel hochsittlichen Verhaltens«), teils sieht er in der Masse eine nützliche Funktion (»Ist das Gebäude einer Zivilisation wurmstichig geworden, so sind es stets die Massen, welche dessen Zusammensturz herbeiführen«). Le Bons Argumentation bleibt insgesamt dem zyklischen Geschichtsverständnis verhaftet. Davon zeugt seine Vorstellung von der notwendigen Ablösung der Demokratie durch die Tyrannei.

 Aufbau: Im Aufmarsch der Massen sieht Le Bon eine allgemeinmenschliche Erscheinung und nimmt im ersten Buch seines dreiteiligen Werks eine Darstellung charakteristischer Merkmale der Massenseele vor. Als Erklärung für das Massenverhalten stellt der Soziologe zunächst das »psychologische Gesetz der seelischen Einheit« auf, indem er erklärt: »In der Kollektivseele verwischen sich die intellektuellen Fähigkeiten und damit die Individualität der Individuen«. Da also die Intelligenz der Einzelnen nivelliert werde, ist es »die Dummheit, nicht der geist, was sich in den Massen akkumuliert«. Aus diesem Grund benähmen sich Einzelne bisweilen in der Masse, wie sie es als Individuen nie tun würden.

 Im Anschluss versucht Le Bon »Gefühl und Moral der Massen«, ihre Impulsivität und Intoleranz, ihren Autoritarismus und Konservativismus zu erklären – Eigenschaften, welche die Masse zum geeigneten Spielball von Demagogen machen. Nach Le Bon besitzt die Masse eine eigene Sittlichkeit, die dazu führe, dass die Interessen Einzelner den Interessen der Gemeinschaft untergeordnet werden, was das oft heroische Verhalten der Masse erkläre.

 Im zweiten Buch geht Le Bon auf die spezifischen Einflussfaktoren, auf die Anschauungen der Masse sowie auf die Eigenschaften der »Führer der Massen« ein. Die aufgezeigten Methoden der Kontrolle und die Rolle des Prestige wirken angesichts der totalitären Geschichte des 20. Jahrhunderts geradezu prophetisch. Im dritten Buch unternimmt Le Bon schließlich eine Klassifizierung und Beschreibung der verschiedenen Formen der Massen.

Wirkung: Die Psychologie der Massen war lange Zeit das Standardwerk zum Massenverhalten. So bezog sich Sigmund R Freud in seinen Arbeiten zur Massenpsychologie explizit auf Le Bon. Ernüchternd ist allerdings die Annahme, dass sich Adolf Hitler die von Le Bon aufgeführten pragmatischen Methoden der Massenzähmung zu Eigen gemacht hat. Das Werk bietet eine nach wie vor faszinierende soziologische Studie sowohl der »Masse« wie auch der Gedankenwelt ihres Kritikers. B. A.

 Kurzbeschreibung

Das in alle Weltsprachen übersetzte Buch des französischen Arztes und Soziologen erschließt die Gesetzmäßigkeiten des Ablaufs von Massenbewegungen und die Möglichkeiten, darauf Einfluß zu nehmen.

 

Autorenporträt

Le Bon, Gustave frz. Soziologe *7.5.1841 Nogent-le-Rotrou †13.12.1931 Marnes-la-Coquette Die Psychologie der Massen, 1895 Gustave Le Bon erlangte seine größte Bekanntheit als Mitbegründer der sozialen Psychologie durch seine bahnbrechende Beschäftigung mit einigen der wichtigsten gesellschaftlichen Phänomene des 20. Jahrhunderts: dem Rassismus und dem Massenverhalten. Le Bon studierte Medizin, promovierte in diesem Fach und führte im Deutsch-Französischen Krieg 1870/71 ein Lazarett. Danach beschäftigte er sich verstärkt mit Völkerkunde, Archäologie, Anthropologie sowie Soziologie und publizierte mehrere Bücher. Während Le Bon in seinem 1894 erschienenen Werk Die psychologischen Gesetze der Evolution der Völker eine auf der Rassentheorie basierende psychologische Hierarchie der Völker entwarf, lehnte er in seiner nur ein Jahr später erschienenen Psychologie der Massen die zunehmende Demokratisierung der Gesellschaft als Bedrohung für die Zivilisation entschieden ab. Er vertrat vielmehr die Idee einer intellektuellen Elite als Motor des Fortschritts. Le Bon verfasste weitere bedeutende Arbeitens zur sozialen Psychologie; dazu gehören u.a. Die Psychologie des Sozialismus (1898) und das 1912 erschienene Die Psychologie der Revolutionen

 

Ein Mensch ist intelligent, eine Gruppe ist dumm...

Den Aufstieg der Nazis, die Verleugnung unserer Vergangenheit nach dem zweiten Weltkrieg und das Phänomen Massenmedien. Es gibt kaum ein Element unserer heutigen Gesellschaft und unserer Geschichte, dass sich nicht mit diesem Buch erklären lässt.

Obwohl es schon über hundert Jahre alt ist, erklärt es auf erstaunliche Weise das Verhalten von Massen. Ein einzelner Mensch ist intelligent, eine Gruppe von Menschen ist dumm. Diese Aussage wird durch dieses Buch auf eine wissenschaftliche Grundlage gestellt.

 

 

 

Ein Muß für alle die lesen können...........

Rezensentin/Rezensent: Hintenberger Harald

Le Bon's Buch habe ich schon im Alter von 16 Jahren gekauft, weil ich wissen wollte, was die großen Fanatiker dieses Jahrhunderts (Hitler und Goebbels) so eingehend studiert hatten. Damals verstand ich das Buch noch nicht. Lediglich eines wurde mir klar: Was diese beiden in Ihrer Zeit zur Perfektion betrieben haben, nämlich die Massen zu verführen und lenken, wurde von Le Bon auch aufgrund der Studien der französischen Revolution zu Papier gebracht - lange bevor jemand "Wollt Ihr den totalen Krieg" schrie.

 

10 Jahre später las ich das Buch nochmals, und vieles wurde mir klar. WERBUNG-MARKETING-HYSTERIE um POPSTARS-BÖRSEEREIGNISSE-MOBING - sprich die irrationalen Verhaltensweisen (oder auch die Dummheit) von Menschen in größeren Gruppen. Jeder der sich nur irgendwie mit den Verhaltensweisen der Menschen beschäftigt, oder auf der Suche nach den Ursachen seiner eigenen Entscheidungen ist sollte dieses anfangs etwas schwieriger zu lesende Buch erwerben. Es ist ein Meilenstein, von dem ich glaube, dass viele Entscheidungsträger auch heute noch sehr intensiv dieses Buch studieren und anwenden. Finger weg von diesem Buch, wenn Sie die Wahrheit nicht vertragen oder diese lesen wollen. Dieses Buch wurde übrigens schon um 1900 geschrieben-über hundert Jahre haben wir nichts dazugelernt....

 

Massenseelen treten im Alltag des Unternehmens auf...

Es kommt im unternehmerischen Alltag immer wieder vor, dass Führungskräfte bestehende Unternehmenseinheiten neu übernehmen. Sie treffen damit auf eine bereits formierte Masse und unternehmen den Versuch diese Masse mit neuen oder weiteren Ideen, Zielen und Herausforderungen zu konfrontieren, sie zu synchronisieren und zu fokussieren. Oftmals trifft man dabei auf hohe Resistenzen oder erlebt eine Spaltung in zwei Lager, nämlich in die Gruppe derer, die signalisieren, dass sie neue Ideen aufnehmen und in die Gruppe derer, die zweifeln und im Verborgenen eine Art Gegenrevolution schüren. Jede Gruppe gehorcht interessanter Weise in sich selbst wieder den Regeln der Massenseele, wie sie Le Bon im Kapitel "Allgemeine Kennzeichen der Massen" beschreibt.

 Ich hoffe, es stört Ihr intuitives Empfinden bezüglich der Freiheit und Selbstbestimmung des Menschen empfindlich, wenn Sie diese Ausführungen lesen, aber es ändert nichts daran, dass Effekte der Massenseele tatsächlich auftreten und wir als Führungskräfte dieser Realität ins Auge sehen sollten. Forschungen durch Le Bon haben ergeben: "Allein durch die Tatsache, Glied einer Masse zu sein, steigt der Mensch also mehrere Stufen von der Leiter der Kultur hinab. Als Einzelner war er vielleicht ein gebildetes Individuum, in der Masse ist er ein Triebwesen, also ein Barbar. Er hat die Unberechenbarkeit, die Heftigkeit, die Wildheit, aber auch die Begeisterung und den Heldenmut ursprünglicher Wesen, denen er auch durch die Leichtigkeit ähnelt, mit der er sich von Worten und Vorstellungen beeinflussen und zu Handlungen verführen lässt, die seine augenscheinlichsten Interessen verletzen. Aus diesem Grunde sprechen Schwurgerichte Urteile aus, die jeder Geschworene einzeln missbilligen würde, Parlamente nehmen Gesetze und Vorlagen an, die jedes einzelne Mitglied ablehnen würde.